Abfindung für ältere Arbeitnehmer – stapeln Sie nicht zu tief!
Eine Abfindung für ältere Arbeitnehmer fällt oft höher aus. Wir erklären Ihnen, was Arbeitnehmer über 50 zur Abfindung wissen müssen.
Das Wichtigste zusammengefasst
- In der Regel haben Sie als älterer Arbeitnehmer Aussicht auf eine vergleichsweise hohe Abfindung.
- Auch im Falle einer Sozialplanabfindung haben Sie grundsätzlich gute Karten. Rentennahe Jahrgänge müssen oft aber mit einer geringeren Abfindung als ihre jüngeren Kollegen rechnen.
- Für die Anrechnung der Abfindung auf das Arbeitslosengeld oder die Rente kommt es auf den Einzelfall an.
- Wir unterstützen Sie gerne bei der Verhandlung und Durchsetzung einer Abfindung. Wir helfen Ihnen dabei, einen möglichst hohen Betrag zu erhalten!
- Welchen Kündigungsschutz haben ältere Arbeitnehmer?
- Welche Höhe hat die Abfindung ab 55 Jahren üblicherweise?
- Welche Besonderheiten gelten bei einem Sozialplan für ältere Arbeitnehmer?
- Höhere Abfindung ab 50 nach Auflösungsantrag
a. Auflösungsantrag des Arbeitgebers
b. Auflösungsantrag des Arbeitnehmers
c. Höhe der Abfindung für ältere Arbeitnehmer - Droht die Anrechnung der Abfindung auf die Rente?
- Wird die Abfindung für ältere Arbeitnehmer auf das Arbeitslosengeld angerechnet?
Viele Arbeitnehmer gehen davon aus, dass sie mit fortschreitendem Lebensalter schwerer zu kündigen sind. Dies stimmt auch – jedenfalls zum Teil.
Anders als etwa schwangere oder schwerbehinderte Arbeitnehmer genießen ältere Arbeitnehmer keinen besonderen gesetzlichen Kündigungsschutz. Allerdings gibt es zum Teil Tarifverträge, die älteren Arbeitnehmern einen ähnlichen Schutz gewähren.
Beispiel: § 34 Abs. 2 TVöD legt fest, dass im Tarifgebiet West bereits Arbeitnehmer ab 40 mit einer Beschäftigungszeit von mehr als 15 Jahren ordentlich unkündbar sind.
Auch werden ältere Arbeitnehmer im Rahmen des allgemeinen Kündigungsschutzes bevorzugt. Bei einer betriebsbedingten Kündigung muss eine sog. Sozialauswahl getroffen werden. Das bedeutet grob: Die sozial am wenigsten schutzbedürftigen Arbeitnehmer müssen zuerst gehen. Kriterien für die Ermittlung der Schutzbedürftigkeit sind die Dauer der Betriebszugehörigkeit, Schwerbehinderung, Unterhaltspflichten und insbesondere das Lebensalter. Ältere Arbeitnehmer sind daher grundsätzlich schwerer betriebsbedingt zu kündigen als ihre Kollegen.
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Auch ein Arbeitnehmer über 50 hat bei einer Kündigung grundsätzlich keinen Anspruch auf eine Abfindung. Oft stehen die Chancen aber trotzdem gut.
Wann erhält ein älterer Arbeitnehmer eine Abfindung?
- Vor allem dann, wenn er mit seinem Arbeitgeber einen Aufhebungs- bzw. Abwicklungsvertrag abschließt oder sich beide vor Gericht einigen („Vergleich“).
- Im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung bietet der Arbeitgeber eine Abfindung oft auch von sich aus an (§ 1a KSchG).
- Weitere Möglichkeiten sind der Sozialplan und der Auflösungsantrag (dazu unten).
Für die Höhe der Abfindung gibt es kaum gesetzliche Vorgaben – weder nach oben noch nach unten. Die in der Praxis häufig herangezogene Faustformel für die Höhe der Abfindung lautet:
0,5 Bruttomonatsgehälter x Anzahl der Beschäftigungsjahre
Der genaue Abfindungsbetrag ist aber meist Verhandlungssache. Nur im Rahmen des § 1a KSchG ist die Abfindungshöhe gesetzlich auf die o.g. Formel festgelegt. Daher sollten sich Arbeitnehmer bei den Verhandlungen stets durch einen erfahrenen Fachanwalt für Arbeitsrecht beraten und vertreten lassen.
An der Faustformel erkennt man, dass sich eine längere Betriebszugehörigkeit positiv auswirkt. Hier können oft vor allem ältere Arbeitnehmer punkten.
Beispiel: A ist 58 Jahre alt und seit 32 Jahren im Betrieb beschäftigt. Er verdient monatlich 5.000 € brutto. Seine Abfindung beträgt nach der Faustformel (5.000 x 0,5 x 32 =) 80.000 €.
Hinzu kommt, dass sich ältere Arbeitnehmer grundsätzlich in einer guten Verhandlungsposition befinden. Häufig zahlt der Arbeitgeber besonders dann eine hohe Abfindung, wenn der Arbeitnehmer nur schwer zu kündigen ist. Gerade die betriebsbedingte Kündigung älterer Arbeitnehmer ist wegen der Sozialauswahl in der Praxis sehr fehleranfällig. Ältere Arbeitnehmer sind hier wegen ihres Alters und der längeren Betriebszugehörigkeit besonders gut geschützt. Eine falsche Gewichtung führt schnell zur Unwirksamkeit der Kündigung. Daher hat ein älterer Arbeitnehmer bei einer Kündigungsschutzklage vor Gericht in aller Regel gute Chancen. Um einen Prozess zu vermeiden, ist der Arbeitgeber daher in vielen Fällen bereit, dem Arbeitnehmer eine höhere Abfindung zu zahlen.
Ein Sozialplan wird bei größeren Änderungen im Betrieb zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbart. Er dient dazu, die Konsequenzen der Entlassungen für die Arbeitnehmer abzumildern und sieht dafür oft Abfindungen vor.
Die Höhe der Abfindungen variiert von Fall zu Fall. Nur selten erhalten alle Arbeitnehmer denselben Betrag. Stattdessen werden Abfindungen nach sozialen Kriterien verteilt. Ältere Arbeitnehmer bekommen im Sozialplan dann meist eine höhere Abfindung.
Ausnahme: Älteren Arbeitnehmer, die in Kürze das Rentenalter erreichen („rentennahe Jahrgänge“), will der Arbeitgeber oft nur eine geringere Sozialplanabfindung zahlen, da sie ohnehin bald durch die Rente finanziell abgesichert sind. Darf er das oder handelt es sich um unzulässige Altersdiskriminierung?
Laut dem Bundesarbeitsgericht (BAG) darf der Arbeitgeber grundsätzlich geringere Abfindungen an rentennahe Jahrgänge zahlen. Das ergibt sich auch aus § 10 S. 3 Nr. 6 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Denn ein Sozialplan dient vor allem als Überbrückungshilfe. Er soll zukünftige Nachteile ausgleichen, nicht für Vergangenes belohnen. Zudem sollen die Gelder fair aufgeteilt werden, sodass die schutzbedürftigsten Arbeitnehmer am meisten Geld bekommen. Das BAG hat daher entschieden, dass der Arbeitgeber im Einzelfall rentennahe Mitarbeiter vollständig vom Sozialplan ausschließen kann (BAG, Beschluss vom 7.5.2019 – 1 ABR 54/17). Dies gilt selbst dann, wenn sie nur eine gekürzte, weil vorzeitige, Rente bekommen. Allerdings kommt es hier auf den Einzelfall an. Die Begrenzung kann insbesondere dann angegriffen werden, wenn ein rentennaher Arbeitnehmer schwerbehindert ist.
Gut zu wissen: Mitunter legt der Arbeitgeber eine starre Höchstbetragsbegrenzung im Sozialplan fest. Ein Beispiel für eine solche Gestaltung wäre z.B. „maximal 18 Monatsgehälter“. Das kann unter Umständen aber eine mittelbare Altersdiskriminierung darstellen, sodass die Begrenzung rechtswidrig ist. Der Sozialplan bleibt aber im Übrigen wirksam. Das heißt, dass ältere Arbeitnehmer grundsätzlich die im Sozialplan vorgesehene Abfindung ohne Deckelung erhalten.
Wenn ein Gericht im Rahmen einer Kündigungsschutzklage feststellt, dass die Kündigung unwirksam war, erhält der Arbeitnehmer im Normalfall seinen alten Arbeitsplatz zurück. Nun kann es aber sein, dass diese Rückkehr unzumutbar wäre. In einem solchen Fall können die Parteien bei Gericht einen „Auflösungsantrag“ stellen, sofern die Kündigung sozialwidrig gemäß § 1 KSchG war (§ 9 KSchG). Das Arbeitsverhältnis wird dann gegen eine Abfindung beendet.
Der Auflösungsantrag kann sowohl durch den Arbeitgeber als auch durch den Arbeitnehmer gestellt werden. In beiden Fällen muss ein Grund vorliegen, der eine zukünftige konstruktive Zusammenarbeit als sehr unwahrscheinlich erscheinen lässt.
Beispiele: Beleidigungen, üble Nachrede oder unangemessenes Verhalten während des Prozesses.
Es gelten jedoch je nach Antragsteller unterschiedliche Voraussetzungen.
a. Auflösungsantrag des Arbeitgebers
Ein Auflösungsantrag des Arbeitgebers ist nur bei einer ordentlichen Kündigung möglich. Es gelten besonders strenge Anforderungen. Denn der Arbeitgeber soll eine unwirksame Kündigung nicht doch noch über den Auflösungsantrag durchsetzen können. Er kann sich zwar grundsätzlich auch auf die Kündigungsgründe als Auflösungsgründe berufen, muss aber beweisen, dass das Arbeitsverhältnis nicht zumutbar fortgeführt werden kann.
Beispiel: Arbeitgeber G hat dem Arbeitnehmer X aufgrund von Verstößen gegen Brandschutzvorschriften gekündigt. Während des Kündigungsschutzprozesses lügt X bewusst. Zudem ist es nicht auszuschließen, dass er auch in Zukunft den Betrieb durch die Missachtung von Brandschutzvorschriften gefährdet (nach BAG, Urteil v. 24.5.2018 – 2 AZR 73/18).
Achtung: Wenn der Arbeitgeber im Prozess gegen einen leitenden Angestellten einen Auflösungsantrag stellt, so braucht er dafür keine Begründung (§ 14 Abs. 2 S. 2 KSchG). Das heißt: Von leitenden Angestellten kann sich der Arbeitgeber jederzeit gegen Abfindung trennen.
b. Auflösungsantrag des Arbeitnehmers
Stellt der Arbeitnehmer den Auflösungsantrag, genügt jeder Grund, der über die Sozialwidrigkeit der Kündigung hinausgeht.
Beispiel: Arbeitgeber G hat Arbeitnehmer N sozialwidrig gekündigt. G hat dem N die Kündigung vor allen Kollegen überreicht und N dabei schwer beleidigt. Auch während des Prozesses hat G den N ständig kleingemacht und schikaniert. Daher ist dem N eine Weiterarbeit bei G nicht zuzumuten.
Wenn das Gericht dem Auflösungsantrag zustimmt, muss der Arbeitgeber eine Abfindung zahlen. Deren Höhe legt das Gericht grundsätzlich frei fest.
c. Höhe der Abfindung für ältere Arbeitnehmer
§ 10 KSchG gibt jedoch Höchstgrenzen vor. Ältere Arbeitnehmer werden hierbei bevorzugt, denn ab 50 Jahren verschiebt sich diese Deckelung nach oben. Dies bedeutet konkret:
Grundsatz | Max. 12 Monatsgehälter |
Mindestens 50 Jahre Lebensalter + mindestens 15 Jahre Betriebszugehörigkeit | Max. 15 Monatsgehälter |
Mindestens 55 Jahre Lebensalter + mindestens 20 Jahre Betriebszugehörigkeit | Max. 18 Monatsgehälter |
Häufig ziehen Gerichte auch hier die oben genannte Faustformel heran und legen bei älteren Arbeitnehmern oft sogar ein ganzes statt ein halbes Monatsgehalt zugrunde.
Allerdings ist beim Auflösungsantrag des Arbeitgebers eine Besonderheit zu beachten: Ist der Arbeitnehmer für den Auflösungsgrund verantwortlich, wirkt sich das meist negativ auf die Höhe der Abfindung aus.
Für diese Frage muss zwischen „echter“ und „unechter“ Abfindung unterschieden werden.
Eine echte Abfindung wird anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt, gilt nicht als Arbeitsentgelt und wird dementsprechend nicht angerechnet. Echt ist eine Abfindung oft dann, wenn sie auf der Grundlage eines Auflösungsantrags oder im Rahmen eines Sozialplans gezahlt wird.
Bei einer „unechten“ Abfindung steht die Zahlung hingegen noch in starkem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, etwa weil rückständiger Lohn verrechnet wird oder noch vorhandene Ansprüche ausgezahlt werden. In diesem Fall droht eine Anrechnung der Abfindung auf die Rente. Diese Gefahr besteht vor allem bei Aufhebungs- und Abwicklungsverträgen.
Oft kommt es hierbei auf die Feinheiten des Einzelfalls an. Arbeitnehmer sollten daher vorab prüfen lassen, ob eine Anrechnung der Abfindung auf die Rente droht. Denn in diesem Fall schmilzt der Betrag schnell dahin.
Grundsätzlich wird eine Abfindung bei einer Kündigung nicht auf das Arbeitslosengeld angerechnet. Eine Ausnahme gilt, wenn das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet wurde.
Beispiel: Am 1.7. unterschreibt A einen Aufhebungsvertrag, der seinen Arbeitsvertrag zum 15.7. beendet. Hätte sein Arbeitgeber ihm stattdessen gekündigt, würde das Arbeitsverhältnis wegen der Kündigungsfrist erst am 31.7. enden (mehr zur Länge der Kündigungsfristen). Deshalb muss A sich einen Teil seiner Abfindung anrechnen lassen und erhält somit erst später Arbeitslosengeld.
Wie viel von der Abfindung angerechnet wird, hängt vom Einzelfall ab. Ältere Arbeitnehmer haben hier einen Vorteil, wie diese Berechnung zeigt:
- Grundsätzlich werden 60% der Abfindung angerechnet.
- Ab 35 werden für jede weitere fünf Lebensjahre 5% abgezogen.
- Dasselbe gilt für je fünf Jahre Zugehörigkeit zum selben Betrieb.
- Mindestens werden allerdings 25% angerechnet.
Maßgeblich ist, wann der Arbeitnehmer 60% (o.ä.) seiner Abfindung durch regulären Lohn verdient hätte.
Beispiel 1: A hat zuletzt 4.000 € brutto verdient. Er erhält eine Abfindung in Höhe von 5.000 €. Der Aufhebungsvertrag beendet das Arbeitsverhältnis zum 30.4. Ungefähr am 23.5. hätte A also 3.000 € brutto verdient, wenn er weitergearbeitet hätte. Dies entspricht 60% seiner Abfindung. Ab diesem Tag erhält er grundsätzlich Arbeitslosengeld.
Beispiel 2: A ist 60 Jahre alt und arbeitet seit 11 Jahren für den Betrieb. Nun werden nur 25% seiner Abfindung angerechnet. Er erhält grundsätzlich also schon am 10.5. Arbeitslosengeld.
Zudem kann die Bundesagentur für Arbeit bei freiwilliger Arbeitsaufgabe eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld verhängen. Diese verkürzt die Bezugsdauer für Arbeitnehmer ab 55 bzw. 58 meist um 4,5 bzw. 6 Monate. Es gibt aber auch Ausnahmefälle, in denen keine Sperrfrist angeordnet werden darf. Erst recht spielt die Sperrzeit kaum eine Rolle, wenn Ihr Arbeitgeber Ihnen betriebsbedingt kündigt.