Aufhebungsvertrag betriebsbedingt – eine gute Wahl?
Wenn Ihrem Arbeitgeber die Aufträge oder der Umsatz wegbrechen, baut er oft Stellen ab. In diesem Fall kommt klassischerweise die Kündigung in Betracht. Alternativ bieten viele Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag aus betrieblichen Gründen an. In diesem Beitrag erklären wir Ihnen, was Sie beim betriebsbedingten Aufhebungsvertrag beachten müssen.
Das Wichtigste zusammengefasst
- Ob der Aufhebungsvertrag eine attraktive Alternative zur betriebsbedingten Kündigung ist, hängt stark vom Einzelfall ab. Sie sollten dazu einen Fachanwalt für Arbeitsrecht befragen, bevor Sie unterschreiben.
- Sie müssen unter Umständen mit einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld rechnen, wenn Sie den Aufhebungsvertrag freiwillig abschließen.
- Die Abfindung wird auf das Arbeitslosengeld angerechnet, wenn der Aufhebungsvertrag die gesetzliche Kündigungsfrist umgeht.
- Mit dem Arbeitgeber lässt sich oft eine (hohe) Abfindung aushandeln. Aber Achtung: bei hohen Abfindungen prüft die Agentur für Arbeit genau, ob nicht eine Sperrzeit wegen freiwilliger Arbeitsaufgabe angeordnet wird.
- Der Aufhebungsvertrag sollte Regelungen zu Resturlaub, Überstunden, Freistellung und Arbeitszeugnis enthalten.
- Was ist ein Aufhebungsvertrag aus betrieblichen Gründen?
- Führt ein Aufhebungsvertrag aus betrieblichen Gründen zur Sperrzeit?
- Erhalte ich eine Abfindung bei einem betriebsbedingten Aufhebungsvertrag?
- Wird eine Abfindung aus betriebsbedingtem Aufhebungsvertrag auf das Arbeitslosengeld angerechnet?
- Was ein Aufhebungsvertrag aus betrieblichen Gründen noch beinhalten sollte
- Checkliste: Aufhebungsvertrag oder betriebsbedingte Kündigung?
Will der Arbeitgeber Stellen reduzieren, spricht er meist eine betriebsbedingte Kündigung aus. Dagegen können Sie sich wehren, indem Sie vor dem Arbeitsgericht klagen.
Ein Aufhebungsvertrag hingegen ist eine Übereinkunft zwischen Ihrem Arbeitgeber und Ihnen. Ihre Zustimmung ist also erforderlich. Mit dem Aufhebungsvertrag heben Sie und Ihr Arbeitgeber einvernehmlich Ihren Arbeitsvertrag auf. Im Gegenzug bietet der Arbeitgeber oft eine Abfindung an.
Wenn Sie nach dem Aufhebungsvertrag nicht direkt eine neue Stelle antreten, rechnen Sie wahrscheinlich mit Arbeitslosengeld I für die Übergangsfrist. An dieser Stelle ist Vorsicht geboten: Die Agentur für Arbeit kann nämlich eine Sperrzeit aussprechen, wenn Sie freiwillig Ihre Arbeit aufgeben. Eine Sperrzeit bedeutet, dass Sie für eine Zeit von bis zu 12 Wochen kein Arbeitslosengeld erhalten. Zudem verkürzt sich die maximale Bezugsdauer um diesen Zeitraum. Sie können also insgesamt nur kürzer Arbeitslosengeld beziehen.
Allerdings kann von einem „freiwilligen“ Aufgeben der Arbeit nicht gesprochen werden, wenn Ihr Arbeitgeber Ihnen sprichwörtlich die Pistole auf die Brust setzt und mit einer betriebsbedingten Kündigung droht. Deshalb gilt der Grundsatz: Wenn der Arbeitnehmer mit einer rechtmäßigen Kündigung rechnen muss, darf er stattdessen auch einen Aufhebungsvertrag abschließen, ohne eine Sperrzeit zu riskieren.
Die Agentur für Arbeit verlangt aber, dass die folgenden Voraussetzungen vorliegen:
- Der Arbeitgeber droht konkret mit einer Kündigung.
- Der Arbeitnehmer ist nicht ordentlich unkündbar (das ergibt sich meistens aus Tarifvertrag oder der Arbeitnehmer genießt Sonderkündigungsschutz z.B. als Schwerbehinderter).
- Der Aufhebungsvertrag wird nicht vor Ende der gesetzlichen Kündigungsfrist wirksam. Zwischen Unterschrift und tatsächlichem Ende des Arbeitsverhältnisses muss also die Dauer der Kündigungsfrist einer betriebsbedingten Kündigung verstreichen.
- Im Aufhebungsvertrag ist eine Abfindung von 0,5 Bruttomonatsgehältern pro Beschäftigungsjahr vereinbart ODER
- Durch den Aufhebungsvertrag werden objektive Nachteile verhindert. Als objektiver Nachteil gilt es meistens, wenn Sie durch Hinnahme der Kündigung eine Abfindung von mehr als 0,5 Monatsgehältern aus dem Aufhebungsvertrag verpassen würden.
Wenn Sie mit Ihrem Arbeitgeber eine Abfindung von bis zu 0,5 Monatsgehältern pro Anstellungsjahr vereinbaren, prüft die Agentur für Arbeit nicht, ob die angedrohte Kündigung rechtmäßig ist. Ist die Abfindung höher, ist die Rechtmäßigkeit entscheidend und wird umfassend von der Agentur geprüft. Das liegt an folgendem Grund: Die Agentur für Arbeit wird gewissermaßen „hellhörig“, wenn eine unüblich hohe Abfindung angeboten wird. Denn das spricht dafür, dass der Arbeitgeber eigentlich keinen ausreichenden Grund für eine Kündigung hat. Dann wäre der Aufhebungsvertrag aber wiederum freiwillig für den Arbeitnehmer. Ein Aufhebungsvertrag mit einer höheren Abfindungssumme ist also risikoreich. Es ist in vielen Fällen schwierig zu beurteilen, ob eine Kündigung rechtmäßig ist oder nicht.
Es kann sich in diesen Fällen auch eine andere Strategie anbieten, die eine Kündigung durch den Arbeitgeber und eine Abfindungseinigung vor Gericht vorsieht.
Die meisten Aufhebungsverträge aus betrieblichen Gründen sehen Abfindungen vor.
Der Arbeitgeber möchte Ihnen den Aufhebungsvertrag damit schmackhaft machen, denn er reduziert so gegenüber der Kündigung sein Risiko. Gegen eine Kündigung können Sie klagen und der Kündigungsschutzprozess ist für den Arbeitgeber langwierig, teuer und unsicher. Gegen einen Aufhebungsvertrag kann man fast nie gerichtlich vorgehen.
Deshalb ist die Abfindung beim Aufhebungsvertrag gelegentlich auch höher als die Abfindung bei einer Kündigung. In der Regel richten sich Abfindungen nach der folgenden Formel: 0,5 Bruttomonatsgehälter x Jahre im Betrieb = Höhe der Abfindung.
Eine höhere Abfindung können Sie vor allem erwarten, wenn Ihre Kündigung für den Arbeitgeber unsicher ist. Das ist insbesondere in folgenden Konstellationen der Fall:
- Sie stehen unter besonderem Kündigungsschutz. Insbesondere Schwangere, Schwerbehinderte und Betriebsratsmitglieder sind besonders vor einer betriebsbedingten Kündigung geschützt.
- Die Sozialauswahl ist zweifelhaft. Ihr Arbeitgeber muss bei der betriebsbedingten Kündigung denjenigen Arbeitnehmer entlassen, den die Kündigung am wenigsten hart trifft. Faktoren sind das Alter, die Länge der Betriebszugehörigkeit und etwaige Unterhaltspflichten.
- Es ist unklar, ob der Arbeitgeber einen ausreichenden Grund für die Kündigung hat. Der Arbeitgeber muss nämlich beweisen, dass in seinem Betrieb dauerhaft Arbeitsbedarf wegfällt.
- Im Unternehmen des Arbeitgebers bestehen andere Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten.
Auch bei einer betriebsbedingten Kündigung ist eine Abfindung nicht unüblich. Meist sieht auch ein Sozialplan eine Abfindung vor. Herr Müller ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und prüft für Sie, welches Angebot für Sie am attraktivsten ist.
Möglicherweise rechnet die Agentur für Arbeit die Abfindung auf Ihr Arbeitslosengeld an. Und zwar dann, wenn der Aufhebungsvertrag vor Ende der gesetzlichen Kündigungsfrist wirksam wird. Denn in diesem Fall vermutet die Agentur für Arbeit, dass die Abfindung ein versteckter Ersatz für den Lohn in der restlichen Kündigungsfrist ist. Sie sollen aber nicht gleichzeitig Lohn und Arbeitslosengeld erhalten.
Es ist daher wichtig, dass das Ausstiegsdatum nicht vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem Ihr Arbeitgeber Ihnen frühestmöglich kündigen könnte.
Beispiel: Sie unterschreiben den Aufhebungsvertrag am 2.7. Würde Ihr Arbeitgeber an diesem Tag kündigen, würde das Arbeitsverhältnis (hier im Beispiel; Ihre Frist kann abweichen) am 30.9. enden. Das im Aufhebungsvertrag genannte Datum sollte nicht vor diesem Zeitpunkt liegen (das Beispiel betrifft ein mehr als fünfjähriges Arbeitsverhältnis; besteht Ihr Arbeitsvertrag länger oder kürzer, fällt die Frist anders aus).
Übrigens: Ihre Abfindung müssen Sie versteuern. Im Jahr ihres Erhalts würden Sie in vielen Fällen einen deutlich höheren Steuersatz erreichen, weil das zu versteuernde Einkommen unter Berücksichtigung der Abfindung deutlich höher als sonst ausfällt. Allerdings entlastet Sie meist die sog. Fünftelregelung. Danach wird auf die Abfindung der Steuersatz angewendet, der sich ergäbe, wenn Sie den Betrag in fünf Tranchen auf fünf Jahre verteilt erhalten hätten.
Der Aufhebungsvertrag sollte neben einer Abfindung auf weitere Aspekte eingehen. Insbesondere die folgenden Punkte sollten nach Möglichkeit im Aufhebungsvertrag geregelt sein:
- Die Abgeltung der angesammelten Überstunden: Sollen die Überstunden ausgezahlt oder am Ende der Beschäftigung abgefeiert werden?
- Die Abgeltung des Resturlaubs: Auch hier kann eine Auszahlung oder Freistellung vereinbart werden.
- Sonstige Freistellung: Auch unabhängig vom Resturlaub kann eine Freistellung für die letzten Wochen oder Monate vereinbart werden. Wenn Sie clever vorgehen, behalten Sie trotzdem Ihre Ansprüche auf Auszahlung von Überstunden und Resturlaub.
- Gutes Arbeitszeugnis: Sie können und sollten mit Ihrem Arbeitgeber Vereinbarungen über den Inhalt des Arbeitszeugnisses treffen. Hier sollten konkrete Formulierungen vereinbart werden, denn zu einem wohlwollenden Zeugnis ist Ihr Arbeitgeber ohnehin verpflichtet.
Bevor Sie den Aufhebungsvertrag abschließen, sollten Sie sich insbesondere die folgenden Fragen stellen:
- Möchten Sie unbedingt Ihre Stelle behalten?
- Ist die angedrohte Kündigung rechtmäßig?
- Welchen Inhalt hat der Aufhebungsvertrag?
In den folgenden Situationen kann ein Aufhebungsvertrag attraktiv sein:
- Sie möchten ohnehin gerne den Arbeitsplatz wechseln und der Aufhebungsvertrag bietet Ihnen bessere Konditionen als die Kündigung.
- Die Kündigung wäre ziemlich sicher rechtmäßig und Sie möchten nicht dagegen klagen.
- Sie haben schon eine neue Stelle zugesagt bekommen oder hervorragende Aussichten auf dem Arbeitsmarkt. Wenn Sie nicht auf Arbeitslosengeld angewiesen sind, ist der Aufhebungsvertrag oft eine sinnvolle Lösung.
Es gibt auch Konstellationen, in denen Sie den Aufhebungsvertrag besser ablehnen sollten. Es kommt wie immer stark auf den Einzelfall an. Folgende Aspekte sprechen eher gegen einen Aufhebungsvertrag:
- Sie halten die angedrohte Kündigung für rechtswidrig und möchten dagegen klagen, um die Stelle zu behalten.
- Die Kündigung ist wahrscheinlich unrechtmäßig und Sie haben noch keine neue Stelle (Sperrzeit beim Arbeitslosengeld möglich!).
- Der Aufhebungsvertrag wird vor Ende Ihrer Kündigungsfrist wirksam (Anrechnung der Abfindung!).
Sie müssen also bei Ihrer Entscheidung alle Vor- und Nachteile abwägen.
Hierzu folgendes Beispiel:
Herr A ist seit 5 Jahren bei seinem Arbeitgeber angestellt, mit einem Bruttolohn von 3.000 €. Sein Arbeitgeber hat zu wenige Aufträge und will einen Mitarbeiter entlassen. Er bietet Herrn A eine Abfindung von einem Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr (15.000 €), wenn er in vier Wochen den Betrieb verlässt. Herr A ist von der hohen Abfindung begeistert und könnte sich auch vorstellen, eine neue Stelle zu suchen. Er glaubt aber auch, dass sein Arbeitgeber eigentlich seinen jüngeren, ledigen und neu angestellten Kollegen Herrn B entlassen müsste. Er sollte bei seiner Entscheidung folgendes beachten: Ihm droht eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld, denn eine betriebsbedingte Kündigung wäre wahrscheinlich wegen der falschen Sozialauswahl unwirksam. Die Abfindung würde auf das Arbeitslosengeld angerechnet, denn die zweimonatige Kündigungsfrist würde umgangen. Es ist außerdem unsicher, ob Herr A innerhalb von vier Wochen eine neue Stelle findet. Gegen eine Kündigung könnte er aber erfolgreich klagen.
Vor allem die Frage nach der Wirksamkeit der Kündigung ist oft schwierig zu beurteilen. Wenn Ihr Arbeitgeber Ihnen einen Aufhebungsvertrag anbietet, sollten Sie auf alle Fälle einen Fachanwalt für Arbeitsrecht aufsuchen.