Fragerecht des Arbeitgebers im Vorstellungsgespräch & Arbeitsalltag
Viele Arbeitnehmer kennen die Situation: Der Arbeitgeber stellt im Vorstellungsgespräch oder im Arbeitsalltag eine Frage, auf die man nur widerwillig antworten möchte. Wie weit das Fragerecht Ihres Arbeitgebers reicht und wie Sie reagieren sollten, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Das Wichtigste zusammengefasst
- Fragen nach folgenden Eigenschaften sind generell unzulässig: Schwangerschaft, politische Anschauung, Religionszugehörigkeit, Gewerkschaftsmitgliedschaft & Familienleben.
- Begrenzt zulässig sind Fragen bezüglich Gesundheitszustand, Behinderung, Vorstrafen, laufenden Ermittlungsverfahren und Vermögensverhältnissen, sofern ein enger Bezug zur beruflichen Tätigkeit besteht.
- Generell zulässig sind Fragen nach der persönlichen Qualifikation.
- Auf eine unzulässige Frage dürfen Sie bewusst wahrheitswidrig antworten, ohne dass Ihnen Konsequenzen drohen.
- Das Fragerecht über einen Coronaimpf- oder Testnachweis ist branchenabhängig. Beim Coronatestnachweis ist zudem die unterschiedliche Gesetzeslage auf Landesebene zu beachten.
- Welche Fragen lässt das Fragerecht des Arbeitgebers zu?
- Wie weit reicht das Fragerecht des Arbeitgebers mit Blick auf Corona?
- Was tun, wenn der Arbeitgeber sein Fragerecht überschreitet?
1. Welche Fragen lässt das Fragerecht des Arbeitgebers zu?
Einige Fragen sind generell unzulässig. In anderen Fällen muss die Zulässigkeit der Frage letztlich anhand einer Abwägung der gegenüberstehenden Interessen entschieden werden. Die Zulässigkeit einer Frage ist daher häufig eine Einzelfallentscheidung.
Als Faustformel gilt:
Je stärker der Zusammenhang zwischen Frage und beruflicher Tätigkeit, desto eher ist sie zulässig. Je mehr die Frage hingegen in den privaten Lebensbereich des Bewerbers bzw. Mitarbeiters hineinragt, desto eher ist sie unzulässig.
Dies sind typischerweise kritische Fragen:
a. Schwangerschaft
Eine generell unzulässige Frage ist die nach einer geplanten oder bestehenden Schwangerschaft. Die Familienplanung gehört zum Kernbereich der privaten Lebensgestaltung, die den Arbeitgeber schlicht nichts angeht. Zudem würde die Frage im Ergebnis zu einer verbotenen Benachteiligung wegen des Geschlechts führen.
b. Politische Anschauung
Generell unzulässig ist ebenfalls die Frage nach Ihrer politischen Anschauung. Es ist bereits kaum vorstellbar, dass hierdurch Ihre Leistungsfähigkeit negativ beeinträchtigt wird. Vor allem jedoch ist Ihre politische Haltung eine private Entscheidung, die nur Sie etwas angeht. Sie ist genau so geheim wie Ihre Wahlentscheidung. Nur Sie bestimmen, mit wem Sie Ihre politische Anschauung teilen möchten. Zulässig ist die Frage allenfalls, wenn Sie sich z.B. bei einer politischen Partei als Mitarbeiter bewerben.
c. Religionszugehörigkeit
Die Frage nach Ihrer Religionszugehörigkeit greift ebenfalls zu stark in Ihre Privatsphäre ein. Die Zugehörigkeit und die Ausübung einer Religion kann für Menschen identitätsstiftend sein. Es ist kein vergleichbares Interesse auf Arbeitgeberseite erkennbar, das die Preisgabe dieser privaten Information legitimieren würde.
Kirchlichen Arbeitgebern ist die Frage nach der Religionszugehörigkeit allerdings in engen Grenzen erlaubt. Das gilt jedoch nur, wenn die Tätigkeit im engen Zusammenhang mit den Religionsinhalten steht (Pfarrer, Religionslehrer, etc.) oder z.B. Führungsstellen neu besetzt werden, die auch die Vertretung kirchlicher Einrichtungen nach außen beinhalten. Bei den meisten anderen Tätigkeiten ist die Frage unzulässig (wie z.B. bei Mitarbeitern einer Pflegeeinrichtung).
d. Mitgliedschaft in der Gewerkschaft
Auch eine Gewerkschaftsmitgliedschaft hat Ihren Arbeitgeber nicht zu interessieren. Diesbezügliche Fragen im Vorstellungsgespräch sind nicht erlaubt. Selbst im laufenden Arbeitsverhältnis ist die Frage tabu – auch wenn bestimmte Gewerkschaften einen Streik androhen.
Unter Umständen darf aber nach der Mitgliedschaft gefragt werden, wenn Sie im laufenden Arbeitsverhältnis Ansprüche einfordern, die Ihnen nur als Gewerkschaftsmitglied zustehen können.
e. Familienleben
Die Gestaltung und Planung Ihres Familienlebens ist natürlich Ihre private Angelegenheit. Es besteht kein nachvollziehbarer Grund, dass Sie Ihren Arbeitgeber etwa in Heiratsabsichten oder Fragen der Kinderbetreuung mit einbeziehen müssten. Da Ihren Arbeitgeber Ihr Familienleben nichts angeht, sind auch diesbezügliche Fragen unzulässig.
f. Gesundheitszustand
Fragen nach Ihrem Gesundheitszustand sind begrenzt zulässig. Es kommt auf die Abwägung der gegenüberstehenden Interessen an: Je mehr Einfluss Ihr Gesundheitszustand auf Ihre berufliche Leistungsfähigkeit hat, desto eher ist eine diesbezügliche Frage legitim.
- So sind etwa Fragen nach bestehenden ansteckenden Krankheiten schon zum Schutz der übrigen Mitarbeiter zulässig.
- Ebenfalls sind Fragen nach Suchterkrankungen erlaubt, sofern sie mit der Arbeit im Zusammenhang stehen. Schwere Maschinen oder PKWs dürfen etwa niemals unter starkem Alkoholeinfluss bedient werden. Bewerber mit einer Alkoholabhängigkeit sind daher in der Regel hierzu ungeeignet.
Auf der anderen Seite müssen Sie Informationen über auskurierte Krankheiten nicht preisgeben; schließlich hat die Krankheit dann keinen Einfluss mehr auf Ihre Leistungsfähigkeit. Gleiches gilt für eine mögliche Rauchereigenschaft, denn der Konsum von Tabak wirkt sich nicht spürbar negativ auf Ihre Arbeit aus.
g. Behinderung
Die Frage nach einer vorliegenden Behinderung ist ebenfalls begrenzt zulässig. Dies gilt für folgende Fälle:
- Eine Behinderung kann Einfluss auf Ihre Leistungsfähigkeit haben und die Gefährlichkeit der Tätigkeit erhöhen. Ihr Arbeitgeber muss sicherstellen, dass die ordnungsgemäße Berufsausübung nicht durch eine Behinderung negativ beeinträchtigt wird. Einige Berufe können mit gewissen Behinderungen nicht ausgeübt werden. So sollte etwa ein Epileptiker keinen Kran führen. Gezielte Fragen nach einschränkenden Behinderungen sind während der Bewerbung daher zulässig.
- Entsprechende Fragen sind auch zulässig, wenn sie ersichtlich der Förderung von schwerbehinderten Menschen dienen. Arbeitgeber sind z.B. zur Prüfung verpflichtet, ob freie Stellen mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden können. Für andere wiederum muss Ihr Arbeitgeber den Arbeitsplatz behindertengerecht einrichten.
- Schwerbehinderte genießen einen besonders hohen Kündigungsschutz. Diesen kann der Arbeitgeber nur beachten, wenn er von Ihrer Schwerbehinderung weiß. Ist er also zur Kündigung entschlossen, darf er grundsätzlich nach Schwerbehinderungen fragen.
h. Vorstrafen / laufende Ermittlungsverfahren
Begrenzt zulässig sind auch Fragen nach Vorstrafen oder laufenden Ermittlungsverfahren. Entscheidend ist, ob die Straftat mit der angestrebten beruflichen Tätigkeit im Zusammenhang steht und dadurch Zweifel an Ihrer persönlichen Eignung bestehen.
Ein langes Vorstrafenregister wegen Verkehrsdelikten lässt etwa Rückschlüsse auf die Eignung eines Bewerbers für den Posten als Taxifahrer zu.
Arbeitgeber müssen hier allerdings präzise formulieren: Generelle Fragen nach Vorstrafen sind unzulässig. Wird die Frage hingegen auf bestimmte, für das Arbeitsverhältnis relevante Vorstrafen begrenzt, ist sie erlaubt.
Wurde die Straftat allerdings nicht in das polizeiliche Führungszeugnis aufgenommen oder ist aus diesem gelöscht worden, so ist eine diesbezügliche Frage unzulässig. So gilt bei Ersttätern etwa, dass eine Straftat nicht ins polizeiliche Führungszeugnis aufgenommen wird, wenn sie mit nicht mehr als 90 Tagessätzen oder Freiheitsstrafe von nicht mehr als drei Monaten abgeurteilt wurde.
Übrigens darf der Arbeitgeber grundsätzlich kein Führungszeugnis verlangen. Da Sie ohne Vorlage des Dokuments die Stelle aber meist nicht erhalten werden, sind Sie dem Verlangen oft schutzlos ausgeliefert.
i. Vermögensverhältnisse
Informationen zu Ihren Vermögensverhältnissen müssen Sie grundsätzlich nicht preisgeben. Einzig, wenn die Beantwortung eine besondere Relevanz hinsichtlich Ihrer beruflichen Qualifikation hat, ist sie ausnahmsweise zulässig. Für Führungspositionen kann beispielsweise der Umgang mit dem privaten Vermögen ein Indiz für den zukünftigen Umgang mit dem Firmenvermögen sein.
j. Fachliche Qualifikation
Fragen zu Ihrer fachlichen Qualifikation sind zulässig. Nur so kann Ihr potenzieller Arbeitgeber abschätzen, ob Sie die nötige Eignung für den Job mitbringen.
2. Wie weit reicht das Fragerecht des Arbeitgebers mit Blick auf Corona?
Besonders relevant sind aktuell Fragen, die im Zusammenhang mit der Coronapandemie stehen, insbesondere solche nach Impf- oder Testnachweisen.
a. Impfung
Die Frage nach dem Impfstatus ist in gewissen Branchen zulässig. Maßgeblich ist, ob die Berufsausübung einen engen Personenkontakt in größeren Gruppen notwendig macht. Hierunter fallen etwa:
- Kindergärten
- Schulen
- Justizvollzugsanstalten
- Krankenhäuser
- Flüchtlingsunterkünfte
- Altenheime
- Obdachlosenunterkünfte
Darüber hinaus gilt dieses Fragerecht nur, solange der Bundestag die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ ausgerufen hat.
b. Corona-Test
Ob Ihr Arbeitgeber Auskunft über einen Corona-Testnachweis von Ihnen verlangen kann, wird in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich beurteilt. Allgemein kann gesagt werden, dass in keinem Bundesland eine branchenübergreifende generelle Pflicht besteht, ein negatives Testergebnis vorzulegen. Eine Nachweispflicht gilt etwa in:
- Bayern und Hessen
bei Arbeitnehmern in Pflegeeinrichtungen, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen und Altenheimen.
- Sachsen
bei Arbeitnehmern, die direkten Kundenkontakt haben.
- Berlin
bei Arbeitnehmern, die körperlichen Kontakt zu Kunden oder Dritten haben.
Werfen Sie daher einen Blick in die Coronaschutzverordnung Ihres Bundeslandes. Dort können Sie erfahren, ob und in welchem Umfang eine Nachweispflicht besteht.
3. Was tun, wenn der Arbeitgeber sein Fragerecht überschreitet?
Stellt Ihr Arbeitgeber Ihnen eine unzulässige Frage, ist der Druck nicht weniger groß. Sie wollen die Beantwortung vermutlich nicht verweigern, schon um Konflikte zu vermeiden. Auch die Chancen im Vorstellungsgespräch steigen nicht, wenn man auf die Unzulässigkeit der Frage hinweist.
Daher steht Ihnen das sogenannte „Recht zur Lüge“ offen. Sie dürfen auf unzulässige Fragen bewusst wahrheitswidrig antworten. So kann sichergestellt werden, dass Ihr Arbeitgeber keinen unbefugten Einblick in Ihr Privatleben bekommt und das Auswahlverfahren für die Stelle weiterhin fair bleibt.
Da Sie lügen dürfen, kann Ihr Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis auch nicht im Nachhinein mit dem Verweis auf eine arglistige Täuschung anfechten.